Kleine Geschichte der Seifenblasen
Blasenförmige Gebilde wie z. B. Wasserblasen sind ein seit Urzeiten bekanntes Phänomen – einfach weil sie in der Natur vorkommen. Aber ihr Auftreten ist flüchtig und nicht rekonstruierbar.
Dies änderte sich etwa 3000 Jahre vor Christus. Die Sumerer stellten zum ersten Mal eine Seife her – aus Pflanzenasche, Ziegentalg und Wasser. Und dabei entstand auch das bunte Farbenspiel der Seifenblasen, das bei Kindern und Erwachsenen jener frühen Hochkultur natürlich Entzücken hervorgerufen haben muss. Diese Blasen hielten länger an, waren schön und äußerst unterhaltsam.
Mit der Ausbreitung der Seife, ihrem Export in andere Gebiete, nahmen auch die Seifenblasen die Welt langsam für sich ein.
Den exakten Zeitpunkt, ab dem Menschen Seifenflüssigkeit eigens zu Spielzwecken mischten und in Schälchen füllten, um dann mit Blasröhrchen Seifenblasen zu erzeugen, kann man nicht genau datieren. Aber anhand von Beschreibungen in der Literatur, in Spielbüchern und -sammlungen, vor allem aber mittels Bildmaterial lässt sich das Phänomen weit zurückverfolgen.
Seifenblasen prägen die Welt
Zuverlässige Bildquellen aus dem Spätmittelalter belegen, dass Seifenblasen als Kinderspiel verwendet wurden. In der religiösen und weltlichen Malerei, in Grafiken und auf Familien- und Kinderporträts sind zahlreiche Darstellungen des Seifenblasenspiels zu sehen. Von diesem Zeitpunkt an findet man durchgängig über alle Jahrhunderte hinweg Zeugnisse aus unterschiedlichsten Bereichen der Kultur:
- in der religiösen Ikonografie
- in Moral- und Lehrbüchern
- auf Buchumschlägen
- in Ornamenten
- auf Postkarten
- in der bildenden Kunst
- auf Bilderbögen
- in Physikbüchern
- in Karikaturen
- im Zirkus
- in Redensarten
- im Liedgut
- in der medizinischen Rehabilitation
- im Fastnachtsbrauchtum
- in der Werbung
Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahrhunderten mit Seifenblasen und ihren Naturgesetzen. Der Universalgelehrte Leonardo da Vinci (1452 – 1519) machte sich Gedanken zur Oberflächenspannung von Flüssigkeiten – Seifenblasen lieferten ihm dabei wichtige Erkenntnisse. Der Naturwissenschaftler Isaac Newton (1643 – 1727) untersuchte dagegen ihre schillernden Farben.
Auch im 20. Jahrhundert hat die Seifenblase die Forschung beeinflusst. Das Dach des Münchner Olympiastadions wurde beispielsweise nach dem Vorbild von Seifenhäuten gebaut.
Denn diese finden immer die stabilste, kleinste Fläche, Gesetze, die bei der Planung des Daches angewendet wurden.
Die Bedeutung der Seifenblase
Schon immer hatte die Seifenblase dabei eine spezielle Bedeutung. Neben der Betrachtung von Farbenpracht, Ästhetik, Faszination und dem physikalischen Phänomen an sich sah man die Seifenblase vor allem als Symbol für Vergänglichkeit (Vanitassymbol).
Man zog die Analogie der zerplatzenden Seifenblase zur Beschreibung der Vergänglichkeit menschlichen Lebens, weltlicher Güter, von Liebe, Macht, Schönheit, Reichtum und Versprechungen heran. Auf einigen Abbildungen ist sogar Gevatter Tod statt mit Sense mit Seifenblasen ausgestattet.
Daneben stand die Seifenblase auch immer für etwas, das zwar anziehend, aber gleichzeitig gehaltlos und inhaltsleer ist. Der römische Gelehrte Marcus Terentius Varro fällte im Jahrhundert vor Christus das desillusionierte Urteil „Homo bulla“ – Menschen sind Seifenblasen.
Aktuelle Redenwendungen und Synonyme greifen auf diese Bedeutung zurück, z. B. wenn ein Traum „wie eine Seifenblase zerplatzt“ oder die Rede ist von der „Bubble Economy“ (Seifenblasenwirtschaft) oder der Immobilienblase.
Seifenblasen als Spielzeug
So genannte Effektspiele wie das Seifenblasen-Spiel mit einer weiten Spannbreite an Aktion und Emotion sind für alle Altersstufen interessant. Freuen sich Kleinkinder an der reinen Wahrnehmung, so tritt bei den Älteren der Aspekt des Selbermachens, der eigenen Aktivität und Geschicklichkeit in den Vordergrund. Der Spaß daran reicht bis zum herausfordernden Wettkampf im Rahmen einer Vorführung mit Publikum und der Veranschaulichung naturwissenschaftlicher Grundprinzipien, wie z. B. Schwerkraft oder Oberflächenspannung. Dadurch fordert und fördert das Seifenblasen-Spiel verschiedenste menschliche Anlagen:
- Sensomotorische Fähigkeiten = Geschicklichkeit und Wahrnehmung
- Kognitive Erfahrungen = physikalische Grundgesetze
- Sozialverhalten = Interaktion (Zusehen, Fangen, Wettkampf mehrerer Kinder)
Deshalb spielen Erwachsene und Kinder seit Jahrhunderten mit Seifenblasen. Doch erst vor einigen Jahrzehnten etablierten sich diese sozusagen als „richtiges“ Kinderspielzeug.
Es begann mit einem Tübinger Chemiker, der eigentlich nach der richtigen Formel für ein Waschmittel suchte …